Herrenbaderaum in Lahmanns Sanatorium.
Historische Ansichtskarte um 1905.

Ausstellung im Neurologisch-Psychiatrischen Gesundheitszentrum Dresden GmbH, Wolfshügelstraße 20, 01324 Dresden

vom 1.3.2012 - 30.6.2013

mit 26 historischen Ansichten vom ehemaligen Dr. Lahmann Sanatorium im Kurort Weißer Hirsch aus dem Verlagsbildarchiv des Sonnenblumen-Verlag Dresden.

Dr. Lahmanns Sanatorium - Kurort Weißer Hirsch

Johann Heinrich Lahmann, am 30. März 1860 in Bremen geboren, war ein deutscher Arzt und Naturheiler. Nach dem Abitur studierte er zunächst zwei Jahre Technik in Hannover. Es folgte ein vierjähriges Medizinstudium in Greifswald, München, Leipzig und Heidelberg, wo er auch promoviert wurde.

Im Jahre 1886 wurde ihm von dem Chemnitzer Unternehmer und Industriellen Johann von Zimmermann bereits die Leitung seiner dortigen Naturheilanstalt angeboten. Lahmann nahm an, jedoch zerstritten sich die beiden Männer offenbar bereits innerhalb von kurzer Zeit. Der Mediziner Lahmann wechselte 1887 nach Dresden und eröffnete am 1. Januar 1888 im damaligen Vorort Weißer Hirsch ein eigenes Sanatorium unter dem Namen „Physiatrisches Sanatorium“ im ehemaligen FridaBad, einer 1883 in Konkurs gegangenen Kuranstalt. Schon im ersten Jahr hatte Lahmann 10 Mitarbeiter und behandelte 385 Kurgäste. Ebenfalls 1888 ehelichte er Pauline Haase (1867 – 1910), ein Kindermädchen aus seiner Chemnitzer Zeit als Naturarzt.

Bereits während seines Medizinstudiums hatte er sich stark mit Naturheilkunde beschäftigt. Lahmann wandte sich von der klassischen Medizin ab und strebte die Schaffung eines einheitlichen Heilsystems an, das vorallem die Hydrotherapie, die Schwedische Heilgymnastik, Luftbäder und eine gesunde Ernährung umfassen sollte. Die Anwendung von Medikamenten lehnte er grundsätzlich ab.

In seinem 1891 veröffentlichten Buch „Die diätische Blutentmischung“ entwickelte er die Theorie, dass alle Krankheiten durch falsche Ernährung verursacht wären. Folgerichtig seien diese durch eine richtige Ernährung zu verhüten. Um seine Theorien zu bestätigen, richtete er 1895 ein Labor ein, in dem fortan Untersuchungen zum menschlichen Stoffwechsel durchgeführt wurden.

Lahmann war ein sehr gewissenhafter und kenntnisreicher Diagnostiker. Er untersuchte stets den ganzen Menschen in seiner physischen und psychischen Individualität und ging mit den unterschiedlichsten therapheutischen Mitteln mit dem Grundsatz nicht nur ein Heilmittel für eine Krankheit zu verabreichen auf die Konstitution seiner Kurgäste ein.

Er empfahl eine überwiegend vegetarische Ernährung, die vor allem aus Obst, Gemüse, Salat und Nüssen bestehen sollte. Fleisch und Genussmittel wären auf den Sonntag zu beschränken. Als Kostformen für seine Patienten entwickelte er Normalkost, rein vegetarische Kost, Kost für Übergewichtige, Schonkost und Diabetikerkost. Sein Kurkonzept verfolgte außer einer gesunden Ernährung auch Wasseranwendungen, Luftbäder und Bewegung in der freien Natur.

Für die Unterbringung seiner Kurgäste mietete er zunächst und kaufte später etliche Villen auf dem Weißen Hirsch. Die Zahl seiner Patienten überstieg 1893 erstmalig 1000. Lahmanns ärztliche Begabung und sein Charisma, gepaart mit einem für einen Arzt großartigen Geschäftssinn, verschafften ihm und seiner Familie bald mehr als ein nur bescheidenes Auskommen. Aus seiner Ehe gingen zwischen 1889 und 1898 sechs Kinder hervor.

Lahmanns Sanatorium entwickelte sich zu einer namhaften national und international frequentierten Einrichtung. Er verordnete auch Liegekuren im Freien und einige Patienten waren in sogenannten Lufthütten untergebracht. Allmorgentlich trafen sich seine Patienten, und das ganzjährig leicht bekleidet, zur Gymnastik im Park. Ein von ihm 1894 erworbenes Gut in Friedrichsthal bei Radeberg sicherte eine hohe Qualität der Nahrungsmittel. Lahmann verordnete kalte und warme Bäder, Dampfbäder, Waschungen, Güsse, verschiedene Wickel und Teilpackungen ebenso wie einen Wechsel von Betätigung und Ruhe.

All das zeichnete ihn in Theorie und Praxis gegenüber anderen Naturärzten seiner Zeit besonders aus. Lahmanns Konzept war ein voller Erfolg. Bis zum Ersten Weltkrieg wurden neue Kurbäder sowie verschiedene Bade und Gemeinschaftshäuser neu errichtet und neue Wasserleitungen und Heizungsanlagen eingebaut.

Zu den Patienten der Kurklinik gehörten neben wohlhabenden Kaufleuten und Militärs selbst Mitglieder des Hauses Hohenzollern, der russischen Zarenfamilie, Könige und Fürsten aus Europa, Asien und Ägypten, aber auch Schauspieler, Sänger und Schriftsteller. Das Sanatorium auf dem Weißen Hirsch gelangte zu weltweiter Anerkennung.

Über 300 Angestellte sorgten sich um das Wohl der Patienten, nahmen die medizinischen Behandlungen vor und organisierten den Kurbetrieb. Bis zum Todesjahr Lahmanns hatte das Sanatorium, das anschließend von seiner Familie weitergeführt wurde, bereits fast 4000 Kurgäste.

Der Naturarzt, der andere stets zur Mäßigung anhielt und die Verantwortung für die eigene Gesundheit betonte, war der Überfülle der sich selbst gestellten Aufgaben gesundheitlich nicht mehr gewachsen. Er starb am 1. Juni 1905 an einer mit einer Grippe verbundenen Herzklappenentzündung auf seinem Gut in Friedrichtsthal.

Von 1920 – 1924 war Johannes Heinrich Schultz, der das Autogene Training entwickelte, Chefarzt und wissenschaftlicher Leiter der Kurklinik. Zu den bekanntesten Kurgäste in den späteren Jahren zählten u.a. der Flugzeugkonstrukteur Hugo Junkers, Reichsminister Dr. Neuhaus, die Sängerin Claire Waldoff, der Komponist Paul Linke, die UFAStars Zarah Leander, Marika Rökk und Willy Birgel, die Schauspieler Heinrich George, Johannes Heesters und Heinz Rühmann.

Im Ersten und Zweiten Weltkrieg diente Lahmanns Sanatorium auf dem Weißen Hirsch, der 1921 als Kurort nach Dresden zwangseingemeindet wurde, als Lazarett.

Wegen der Beschlagnahmung 1945 und anschließenden Nutzung durch die Rote Armee als Sanatorium der sowjetischen Streitkräfte sowie den installierten neuen sozialistischen Verhältnissen im Ostteil Deutschlands konnte der öffentliche Kurbetrieb auf dem Weißen Hirsch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr wieder aufgenommen werden. Die Gebäude des Sanatoriums stehen seit dem Abzug der Sowjetarmee 1991, nach deren jahrzehntelanger Nutzung mit übermäßigem Verschleiß, seit kurz nach der Wende leer.

Alle sich anschließenden Konzepte zur Reaktivierung des Gebietes, so u.a. die Einrichtung eines Seniorenstiftes der Stiftung Augustin oder die Errichtung eines Europäischen Wellness und Forschungszentrums, scheiterten an den hohen Kosten und den Auflagen des Denkmalschutzes.

Anfang 2011 wurde das Gelände mit den unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden an die Baywobau verkauft, die dort altersgerechte Wohnungen errichten will. Vorgesehen sind außerdem Arzt und Therapiepraxen im Eckhaus zur Stechgrundstraße sowie der Bau einer Einfamilienhaussiedlung am Heiderand. Die historischen Gebäude sollen in ihrer Bausubstanz erhalten bleiben – und durch moderne Zutaten behutsam ergänzt werden. An den Entwürfen sind mehrere renommierte Architektenbüros beteiligt. Der Baubeginn hat Mitte 2012 begonnen.

In der heutigen Zeit wird viel über eine ganzheitliche Betrachtungsweise in der Medizin diskutiert.

Heinrich Lahmann hat sie bereits vor über 100 Jahren praktiziert.

Michael Schmidt

zurück zur Seite Veranstaltungen