Rezensionen zum Buch "Friedrich List und Johann Andreas Schubert - Pioniere und Wegbereiter des deutschen Ferneisenbahnnetzes"
von Ralf Haase

FREIE PRESSE,
AUSGABE
Mittwoch, den 14. Oktober 2016


Sie war die Initialzündung im deu schen Bahnbau: die 1839 fertiggestellte Leipzig-Dresdner Eisenbahn. Das Bild zeigt die Ankunft des Zuges in Althen, einem heutigen Stadtteil von Leipzig. Der Schwabe Friedrich List regte die mehr als 116 Kilometer lange Strecke an und gilt damit als Wegbereiter der Ferneisenbahn in Deutschland. Zur gleichen Zeit lebte und wirkte auch der sächsische Ingenieur Johann Andreas Schubert, der Deutschlands erste Dampflok, die „Saxonia“, entwarf und baute. Ausführlich und mit großer Sachkenntnis erzählt Ralf Haase die Entstehungsgeschichte der deutschen Ferneisenbahn anhand ihrer geistigen Väter

LEIPZIGER VOLKSZEITUNG,
AUSGABE
Mittwoch, den 5. August 2015


Von Mathias Orbeck
Mobilität ist heute selbstverständlich. Früher, ob nun zu Fuß, Pferd oder Kutsche, war es eher beschwerlich. Im April 1839 änderte sich das – Sachsen schrieb damals buchstäblich Verkehrsgeschichte. In seinem 2014 erschienenen Buch „175 Jahre erste deutsche Ferneisenbahn zwischen Leipzig und Dresden“ beleuchtet der Verkehrshistoriker Ralf Haase die Umstände, warum gerade von Leipzig ausgehend ein so bis dahin in Deutschland einmaliges Projekt entstehen konnte. Mit seinem Neuling „Friedrich List und Johann Andreas Schubert – Pioniere und Wegbereiter des deutschen Ferneisenbahnnetzes“ rückt Haase nun zwei der maßgeblichen Akteure in den Blickpunkt. Betrachtet wird der Siegeszug der Eisenbahn, die in England, dem Mutterland der industriellen Revolution, begann. Das Buch ist gerade im Sonnenblumen-Verlag Dresden erschienen.

Der ehemalige Kustos der Dresdener Hochschule für Verkehrswesen Ralf Haase stellte das bewegte Leben von Friedrich List (1789–1846) vor, der sich wegen politischer Tätigkeit das Missfallen des württembergischen Königs zuzog und ins Exil in die USA flüchtete. Als Beauftragter der amerikanischen Regierung kehrte er im Oktober 1832 nach Hamburg zurück. Mit Plänen, Hafen und Hinterland per Eisenbahn zu verbinden, stieß er bei den Hanseaten aber auf taube Ohren. Ein Jahr später zog er mit seiner Familie nach Leipzig, wo er die Unterstützung führender Kaufleute wie Gustav Harkort für seine Eisenbahnvisionen gewann. Die Kaufleute hatten jedoch Sachsen und den schnellen Profit im Blick – nach Eröffnung des ersten Bauabschnitts Leipzig-Althen am 24. April 1839 kam es zum endgültigen Zerwürfnis. List, der von einem nationalen Eisenbahnsystem träumte, wurde mit einem Silberpokal und 4000 Talern regelrecht abgespeist. Sein Ziel, als Direktor der Bahngesellschaft angestellt zu werden, erreichte er nicht. Er musste sich um neue Verdienstmöglichkeiten kümmern und ging zunächst nach Frankreich.

Das Leben von Johann Andreas Schubert (1808–1870) hat sich ebenfalls in Leipzig verändert. Eigentlich in Wernesgrün geboren und beheimatet, wuchs er als Pflegesohn beim Leipziger Polizeipräsidenten von Rackel auf, der ihm eine Ausbildung an der Thomasschule ermöglichte. Als dieser starb, siedelte seine Witwe auf die Festung Königstein über, er kam an die Garnisionsschule, wo Schubert sich zunehmend langweilte. Es folgten ab 1824 ein Studium des Bauwesens an der Bauschule der Akademie der Bildenden Künste zu Dresden. 1828 erhielt der gerade einmal 20-jährige Schubert eine Anstellung als Lehrer für Buchhaltung und zweiter Lehrer für Mathematik an der neu gegründeten „Königlich-Technischen Bildungsanstalt Dresden“, der Vorgängerin der TU Dresden. Zum Professor berufen, lehrte er ab 1838 auch Maschinenbau und Eisen- bahnbau und hielt Vorlesungen zu Geodäsie, Brückenbau und Maschinenkonstruktion. Später gründete er eine Maschinenbaufabrik am Elbufer bei Uebigau. Der Ingenieur und Konstrukteur, der sich bei einer Studienreise nach England Impulse holte, war beispielsweise Schöpfer der ersten Elbpersonendampfschiffe „Königin Maria“ und „Prinz Albert“ (1836) sowie der ersten deutschen Lokomotive „Saxonia“ (1837).

Die beiden Pioniere des deutschen Ferneisenbahnnetzes haben viel voneinander gehört, List und Schubert sind sich aber offenbar niemals persönlich begegnet.


Zeitungsausschnitt Dresdner Stadtteilzeitung/Rezension zum Buch Der Untergang des alten Dresden in der Bombennacht vom 13./14. Februar 1945
DRESDENER NEUESTE NACHRICHTEN,

Montag, den 17. August 2015


Die Eisenbahn als Initialzündung

Technikgeschichte im Zeitalter der indutriellen Revolution -
Ralf Haase widmet sich auch den Bahnpionieren List und Schubert

Von
Christian Ruf

So wie es heute nicht an Bedenkenträgern mangelt, die vor den Gefahren dieser oder jenen Technik warnen, die etwa Elektrosmog fürchten und Gen-Technik pauschal verdammen, so waren sich viele einst auch sicher, dass die Eisenbahn ein Irrweg der Menschheitsgeschichte sei. Viel zu gefährlich, vor allem Schwangere und ihre Kinder könnten schwere Folgeschäden davontragen, wenn sie sich der hohen Geschwindigkeit aussetzen würden. Die Idee aus England mit den Loks auf Schienen fand Nachahmer, in Sachsen sind mit dem Aufbau der ersten Eisenbahnlinie zwischen Leipzig und Dresden nicht zuletzt die Namen von Friedrich List und Johann Andreas Schubert verbunden.

Diese beiden Pioniere und Wegbereiter des deutschen Fernbahnnetzes stehen im Fokus einer Publikation von Ralf Haase, der lange an der Hochschule für Verkehrswesen und ab 1993 dann an der Fakultät Verkehrswissenschaften .Friedrich List" an der TU Dresden wirkte. Man merkt dem im Dresdner Sonnenblumen Verlag erschienenen Buch rasch an, dass der Autor ein versierter Kenner der Materie ist, wobei er beileibe nicht nur Eisenbahn-Historie vermittelt, sondern regelrecht Technikgeschichte im Zeitalter der industriellen Revolution darlegt. Hier und da blitzt eine gewisse alte Denkschule auf, etwa wenn der Autor "Kapitalisten" schreibt, wo "Unternehmer" auch und sogar besser gepasst hätte.

Zum Auftakt geht es um die Eröffnung der ersten deutschen Ferneisenbahn am 7. und 8. April 1839, dieser unbestreitbaren "Spitzenleistung im deutschen Bahnbau". Für viele neu dürfte die Information sein, dass es bereits vorher Probefahrten auf den ersten fertiggestellten Teilstrecken gab: Und zwar von Leipzig nach Althen bzw. von Dresden nach Weintraube bei Radebeul. Billetts für die angebotenen Kurzfahrten waren laut Haase ständig ausverkauft, mehr als 13 000 Menschen gaben sich mit dem neuen "Wunder der Welt" - so ein zitierter Augenzeuge - auf der Strecke von Dresden nach Weintraube zwischen dem 30. Juli und 5. August 1838 dem "Rausch der Geschwindigkeit" hin.

Den Weg zum Eisenbahnbau hatte nicht zuletzt Lists im März 1834 verfasster "Aufruf an unsere Mitbürger Sachsen die Anlage einer Eisenbahn zwischen Dresden und Leipzig betreffend" geebnet - für Haase ein "Meisterwerk propagandistischer Arbeit", indem List überzeugend und fassbar die Vorteile einer Eisenbahnlinie dargestellt habe. Und mit der 1838 publizierten Schrift "Das deutsche National-Transport-Systemin volks- und staatswirtschaftlicher Beziehung" sei List "zum ersten Verkehrswissenschaftler der Welt" avanciert. Letztlich sollte Schubert, ob der permanenten Erfolglosigkeit geistig verbraucht und körperlich ruiniert, im November 1846 in Kufstein Selbstmord begehen, was den US- Wirtschaftstheoretiker Henry Charles Caray veranlasste, (sarkastisch) zu schreiben: "Sein dankbares Vaterland drückte ihm die Pistole in die Hand. "

Auch Leben und Leistung des aus armen Verhältnissen stammenden Schubert wird in einem eigenen Kapitel erhellt, in einem Unterkapitel explizit auch auf die im Auftrag der sächsischen Regierung absolvierte Studienreise des "komplex aufgestellten Ingenieurs und mutigen Unternehmers" nach England eingegangen. Sein Notizbuch füllte sich, wie bei so vielen Deutschen, die sich auf der Insel umschauten, mit Modellzeichnungen und technologischen Beschreibungen. In manchen Fällen lief es auf Indutriespionage hinaus und englische Medien sollten später im Fall der Schubertschen "Saxonia"- (Lok) denn auch ein Plagiat sehen, aber für Haase handelt es sich bei Schuberts Maschine um "einen echten Neubau mit vielfältigen Verbesserungen und in hoher Fertigungsqualität" .

Nun ist Undank bekanntlich ja der Welten Lohn und das war bei List und Schubert leider der Fall. Beide fanden in den offiziellen Ansprachen zur Streckeneröffnung Erwähnung. Ein vom König verliehenes Ritterkreuz des Zivilverdienstordens schmückte andere (zweifellos auch verdiente) Männerbrüste. List wurde laut Haase abgespeist mit einer Aufwandsentschädigung von 4000 Talern (nach Lists Tagebuchaufzeichnungen hatte er mehr als das Vierfache der Summe aus eigener Tasche draufgelegt) und einem Pokal anstelle einer erwarteten DirektorensteIle bei der Eisenbahngesellschaft. Und Schubert bekam keine Nachfolgeaufträge für die in der auf Aktien basierenden Maschinenbau-Anstalt Uebigau gefertigte "Saxonia". Er zögerte den Bau des zweiten Baumusters, der "Phoenix", notgedrungen hinaus und gab nach schweren Vorwürfen des Aktienvorstandes den Direktorenposten wieder auf.

Im Abschnitt "Grenzen der Mobilitätsentwicklung und die Misere der technischen Bildung" moniert der Autor die Rückständigkeit Sachsens bezüglich der Verkehrsverhältnisse, welche die produktiven Kräfte in der Wirtschaft ausgebremst hätten. Da ist was dran, aber welche Länder in Europa mögen im Vergleich besser dagestanden haben? Außer England vielleicht noch Frankreich und Belgien. Aber sonst?

Interessant die Ausführungen zu England als "Werkstatt der Welt" sowie Manufakturwesen als Vorläufer der sächsischen Industrialisierung. Falsch ist allenfalls Haases Ansicht, Preußen habe Sachsen in die drei Schlesischen Kriege gezwungen. Sachsen war ein selbstständiger Akteur, als August II. und sein Premier Brühl beschlossen, 1740-42 zusammen mit Preußen gegen Österreich und dann 1744/45 an der Seite Österreichs gegen Preußen ins Feld zu ziehen.

Höchst interessant die Ausführungen zu Sachsens Beitritt zum "Deutschen Zollverein". So wird festgehalten, dass 1820 mehrere deutsche Staaten einen "Süddeutschen Zoll- und Handelsverein" und am 24. September 1828 dann 16 kleine und mittlere Bundesstaaten sowie zwei freie Städte .unter Führung Sachsens einen "Mitteldeutschen Handelsverein" gründeten. Letztlich unterstützte dann aber auch Sachsen die Idee eines gesamtdeutschen Zollvereins, womit auch der unermüdliche Kampf Lists um die wirtschaftliche Einigung von Erfolg gekrönt gewesen sei.

Festgehalten wird vom Autor, dass im Königreich Sachsen vom Staat immer erst dann gesellschaftliche Reformen auf den Weg gebracht worden seien, wenn der politische Druck dies verlangte. Angesprochen wird auch die "Misere der technischen Bildung", wobei davon ausgegangen werden kann, dass eine solche nicht nur für Sachsen zu verzeichnen ist. Dass sich Sachsen im 19. Jahrhundert dennoch zu einem Pionierland der Industrialisierung entwickeln habe können, hängt nach Ansicht Haases "vor allem mit der wachsenden Stärke des Industrie-, Finanz- und Handelsbürgertums zusammen, weniger mit staatlichen Interventionen". An anderer Stelle räumt der Autor hingegen wiederum durchaus ein, dass der technische Fortschritt vom Staat trotz feudaler Denkstrukturen gezielt gefördert wurde.

Was nun den Eisenbahnbau angeht:

Der Staat blieb als Eigentümer und Betreiber zunächst außen vor, wie Haase konstatiert. Erst als Mitte der 1840er Jahre einige private Eisenbahngesellschaften in Finanznot kamen, kaufte der Staat einzelne Strecken und baute sie aus "Der Staatsbahngedanke verbreitete sich erst nach 1850, nachdem der sächsisc Staat bereits mehrere Bahnstrecken in Pacht genommen und den großen politischen, wirtschaftlichen und vor allen auch militärischen Nutzen erkannt hatte." Die dritte große Fernbahn in Sachsen war die sächsisch-schlesische Bahn zwischen Dresden und Breslau, die durch einen Staatsvertrag mit Preußen zustande kam. Baubeginn war 1843, auch hier startete der Bau über eine Privatfinanzierung und eine Beteiligung des sächsischen Staates mit einem Drittel der Aktien von etwa zwei Millionen Taler. Schon bald musste der Staat aushelfen, als eine außerordentliche Generalversammlung der Aktionäre den Verkauf der Bahn beschloss, wie Haase vermittelt. Diese Entwicklung führte letztlich am 14. September 1852 zur Gründung der "Königlichen Staatseisenbahndirektion zu Dresden", um die Leitung dieser Unternehmungen nach einheitlichen Maßstäben zu gewährleisten. Wie auch immer: Noch waren die Zeiten, da man sich die Bahn als sensibles Wesen vorstellen musste, da auf winzigste Veränderungen mit Verspätungen reagiert, nicht angebrochen.
Der Eisenbahnbau hatte auch Auswirkungen auf die Binnenschifffahrt, auf die Haase in einem Kapitel ebenfalls eingeht. So hält Haase fest, dass die Vorstände der Eisenbahngesellschaft von den Dividende sehen wollenden Aktionären gezwungen wurden, "einen harten Wettbewerb unter den Bedingungen des vormonopolistischen Kapitalismus gegen die Schifffahrt zu führen". Der Siegeszug des Gütertransports auf der Schiene war, wie nicht unterschlagen wird, das Aus der "Bomätscher" (der Treidler also). Sie versuchten sich 1848 mit einem Aufstand gegen die neue Konkurrenz zu wehren. Vergebens. Die neu Technik triumphierte.

Zeitungsausschnitt Dresdner Stadtteilzeitung/Rezension zum Buch Der Untergang des alten Dresden in der Bombennacht vom 13./14. Februar 1945
SÄCHSISCHE ZEITUNG
26./27. September 2015


Von Pionieren der Eisenbahn

Ein Verkehrswissenschaftler zeigt die Entwicklung seit 1839 anhand zweier Protagonisten.

Von
Lars Kühl

Bücher über Verkehrsmittel gibt es so viele wie über die richtige Pflege von Balkonpflanzen. Fast. Trotzdem versucht es Ralf Haase mit einem neuen. Sinnvoller Anlass ist meist ein Jubiläum, auch wenn es noch so unrund ist. Der Verkehrswissenschaftler und ehemalige Kustos der Hochschule für Verkehrswesen findet gleich zwei und verknüpft sein Werk über "Pioniere und Wegbereiter des deutschen Ferneisenbahnnetzes" eng mit den Schicksalen zweier wichtiger Protagonisten dieser Zeit.

Während es beim Nationalökonomen Friedrich List aus Schwaben der 225. Geburtstag ist, muss beim sächsischen Ingenieur Johann Andreas Schubert der 175. Jahrestag der von ihm entworfenen und gebauten. ersten deutschen Dampflok "Saxonia" herhalten, Beide "Jubiläen" beziehen sich im Übrigen auf voriges Jahr, wobei Letzteres im Verkehrsmuseum unter anderem mit der Sonderausstellung "Deutschland wird mobil" gefeiert wurde.

Soweit zum Anlass für das Buch. Der geneigte Leser findet dann auf 128 Seiten immerhin 110 Abbildungen - zum Teil selten und hochinteressant. Beschrieben wird der Siegeszug der Eisenbahn in Deutschland, und speziell in Sachsen, mit der Initialzündung durch die Eröffnung der Ferneisenbahnstrecke zwischen Leipzig und Dresden im April 1839. In den sieben Kapiteln geht Haase darauf genauso ein, wie auf den gesellschaftlichen Umbruch in Europa, Deutschland und Sachsen im Vorfeld, außerdem auf die Auswirkungen der industriellen Revolution. Die Verkehrsentwicklung Sachsens zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird ebenso thematisiert.

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