Rezensionen zum Buch
"Dresden und der Klassizismus"
Zeitungsausschnitt Dresdner Neueste Nachrichten/Rezension zum Buch Dresden und der Klassizismus
DRESDNER NEUESTE NACHRICHTEN,
12.06.2017

Es muss nicht immer ein "Großblockner" sein

Martin Nowakowski legt eine Betrachtung über Dresden und den Klassizismus vor

Von Christian Ruf
Mit den Leumund von Städten ist das so eine Sache. So gibt es Menschen, die versichern, dass Bielefeld gar nicht existiert, andere wiederum halten Hannover für die Welthauptstadt des Verbrechens, bloß weil schillernde Charaktere wie Christian Wulff und Gerhard Schröder,' die Scorpions und die Hells Angels ihre Wurzeln in der Stadt an der Leine haben. Dresden wiederum gilt als Barockstadt, dabei sind Barockbauten nur noch in Spurenelementen vorhanden - und da sind die Rekonstruktionen am Neumarkt (die nur jenen nicht gefallen, die unter Baukunst verstehen, dass ein Haus ein "Großblockner" aus Glas, Stahl und Beton zu sein hat) schon mitgezählt.
Aber so wie es nicht immer Kaviar sein muss, wie ein Romantitel des österreichischen Schriftstellers Johannes Mario Simmel versichert, so muss ein Blick auf Dresden nicht immer vom Barock in Bann gezogen werden. "Dresden und der Klassizismus" lautet nun der Titel einer schmalen, aber feinen Publikation von Martin Nowakowski, in der der Historiker und Kunsthistoriker einen Blick auf Architektur, Malerei und Skulptur wirft.
In seiner Einleitung Nowakowski fest, dass der Klassizismus als "Gegenprogramm zum barocken' Zeitalter gesehen werden" kann, und dass es vor allem das erstarkende Bürgertum gewesen sei, das die Entwicklung der Hinwendung zu antiken Kunstwerken intensivierte, "weil es die feudale Formensprache des Barock zunehmend ablehnte und nach Neuem suchte".

Die jüngere Architektengeneration konnte sich kaum verwirklichen

Erhellt werden zunächst auch die gesellschaftlich- politischen Rahmenbedingungen für die klassizistische Kunst in Dresden zwischen 1763 und 1850., wozu auch die Gesellenunruhen im Sommer 1794 gehören. Ausgangspunkt war, dass sich ein Schneidergeselle von seinem Meister ungerecht behandelt fühlte und er diesen beim Stadtrat anklagte. Der Meister wurde bestraft - aber nach Ansicht des Gesellen nicht hart genug. Es kam zum Streik, an dem sich laut Nowakowski 3000 Gesellen von 20 Handwerksinnungen beteiligten.
Was die' allgemeine Bausituation ab der Mitte des 18. Jahrhunderts angeht, ist zu konstatieren, dass damals ein Mangel an Bauaufgaben herrschte, die jüngere Architektengeneration, die sich klassizistischen Tendenzen hinwandte, hatte kaum Gelegenheit, eigene Vorstellungen umzusetzen. Entscheidend war dann, dass die Festung ab 1809 bis 1813 und dann 1817 bis 1829 abgetragen wurde, vom "mittelalterlich" anmutenden Korsett befreit wurde.
Friedrich August Krubsacius (1718-1789) ist für Nowakowski"einer der frühen Vertreter des Klassizismus - von ihm stammt der Entwurf für das Palais der Sekundogenitur. Es waren dann vor allem zwei Männer, die dem Stadtbild klassizistische Facetten hinzufügten. Da wäre zum einen Oberlandbaumeister Christian Friedrich Schuricht. Dieser war, mal abgesehen davon, dass er Gründungsmitglied der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde und Freimaurer in der Loge Zu den drei Schwertern war, der Erbauer des dritten Belvedere, das dann 1842 abgebrochen wurde, weil es einem vierten weichen musste.
Schuricht war es auch, der - von einem Brand in Schloss PilInitz profitierend - ab 1826 das Neue Palais als Dreiflügelanlage errichtete. Obwohl der Bau für Nowakowski "auf eindrucksvolle Art und Weise eine heitere und lockere Stimmung mit der strengen und würdevollen Art des Klassizismus verband, folgte die Dresdner Architektur meistens anderen Vorbildern und prägte die Epoche nie entscheidend mit". Ein Grund hierfür könnte für den Autor darin zu suchen sein, "dass die Dresdner Kunstakademie keinen entscheidenden Einfluss auf die Stadtarchitektur ausübte". Es habe an neuen Impulsen gefehlt, da die Professur nach 1814 mit Schülern Krubsacius' aus eigenen Reihen besetzt gewesen sei, "sodass kaum neue Eindrücke von außen mitwirkten." Das Stadtbild prägten, so Nowakowski, "insbesondere die im Hofund Staatsdienst stehenden Architekten. Ab 1830 kamen Privatarchitekten dazu, jedoch traten die städtischen Bauwerke zeitgleich in den Hintergrund. Erst als Joseph Thürmer, ein Schüler Karl Fischers in Mündchen, die Professur übernommen habe, habe eine Neubelebung des Klassizismus eingesetzt. Exemplarisch dafür sei das um 1830 erbaute und 1945 dann zerstörte Palais Lüttichau in der Zinzendorfstraße.

Gottlob Friedrich Thormeyer gestaltete auch den Albertplatz

Der andere wichtige Name, den man sich zu merken hat, wenn es um klassizistische Architektur in Dresden geht, ist Gottlob Friedrich Thormeyer. Dieser hatte zunächst Malerei an der Dresdner Akademie der Bildenden Künste studiert, war dann aber (zu einer Zeit, als noch keiner auf die Idee verfallen wäre, Architekten als die wahren Nihilisten der Kunst zu bezeichnen) zur Architektur Krubsacius gewechselt, wo sein unmittelbarer Lehrer Gottlob August Hölzer (1744-1814) war. Auf Reisen nach Wörlitz, Weimar, Süddeutschland, der Schweiz und Italien bildete Thormeyer sich vor allem als Architekturzeichner aus und entzog sich damit zugleich weitgehend den kriegerischen Ereignissen auf sächsischem Boden, sieht man von der Gestaltung der Festdekorationen anlässlich der Besuche Napoleons und der Rückkehr König Friedrich Augusts aus dem Friedrichsfelder Exil einmal ab.
1814 baute Thormeyer die Torhäuser des Großen Gartens und die Freitreppe zur Brühlsehen Terrasse. 1815/16 übernahm er Projektierung und Anlage des ältesten Teils des " Weiten Kirchhofs", nach 1834 Trinitatisfriedhof. Als Leiter der .Demollerunqserbeiten" an den Festungsanlagen zwischen 1815 und 1830 war er auch für die Neugestaltung einzelner Stadtteile verantwortlich. 1816 erarbeitete er das Konzept für den Pirnaischen Platz, 1817 folgten der Bebauungsplan der Antonstadt einschließlich des heutigen Albertplatzes. Nowakowski zitiert (was er wiederholt tut) aus der Geschichte der Stadt Dresden, verfasst 2006 von Reiner Gross, der wissen ließ. Ebenso musterhaft wie schon die barocke Anlage der Neustadt war auch ihre klassizistische Erweiterung. Gegenüber gleichartigen Bebauungsstrukturen zeichnete sie sich durch ihre Ausdehnung (und) ihre gestalterische Geschlossenheit aus, die zu den besten städtebaulichen Leistungen des Klassizismus in Deutschland gehört".
Das Gebäude der Calberlaschen Zuckersiederei war eines der ersten Industriebauwerke Dresdens, das seine Zweckbestimmung nicht erkennen ließ. Gelegen auf der einstigen Bastion Sol in unmittelbarer Nachbarschaft zum Stadtschloss und der Hofkirche, erhielt die Fabrik ein klassizistisches Äußeres. "Vermutlieh setzte Hofmaurermeister Hofmann das Bauwerk um und konzipierte es als dreigeschossige Gebäudegruppe", schreibt Nowakowski.

Von den Torhäusern am Palaisplatz wurde nur eines wiederaufgebaut

An Dresdner Arbeiten Thormeyers sind noch der Turm der Annenkirche 1820 (bei ihm handelt es sich um den einzigen klassizistischen Turm in Dresden) und das Haus Oberer Kreuzweg 8, errichtet für Ernst Philipp Rosenkranz, mit aufgenommen. Den Schluss bilden die beiden symmetrisch angelegten Torhäuser am Weißen Tor, errichtet 1827-29 auf Höhe des 1817 abgebrochenen Leipziger Tores. Beide Bauten (am Kaiser-Wilhelm-Platz, heute Palaisplatz) wurden im Krieg zerstört. Der Wiederaufbau des nördlichen Torhauses erfolgte 1952, die Reste des südlichen Torhauses jedoch wurden 1966 abgetragen. Gänzlich unbekannt ist der Architekt des Wohnhauses in der Gewandhausstraße 7 mit seinem auffälligen Walmdach, einst "Preußisches Haus" genannt. Trotz eines von dorischen Säulen getragenen Altans erachtet der Autor I es als einen insgesamt "bescheidenen Bau". 1907 wurde das Gebäude für den Rathausneubau abgebrochen.
Auch auf Malerei und Bildhauerkunst zwischen 1763 und 1830 sowie Kunstförderung geht Nowakowski ein, allerdings fallen die Ausführungen des Autors hier nicht ganz überzeugend aus wie zur Architektur. Abschließend erklärte der Autor, dass Dresden im Bereich der Architektur "für einen einfachen und schlichten Stil steht, der sich .... nicht mit Bauten in Berlin oder München vergleichen" lasse. Dennoch sei "die sächsische Residenzstadt in der Zeit zwischen etwa 1740 bis 1850 gerade in Verbindung mit den Kunstgattungen Malerei und Skulptur, erheblich klassizistisch geprägt" gewesen, was zahlreiche Werke, dieser Zeit bis heute aufzeigen würden.

Martin Nowakowski: Dresden und der Klassizismus. Eine Betrachtung von Architektur, Malerei und Skulptur. Sonnenblumen Verlag.
104 Seiten

 

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