Rezension zum   
"Stadtplan vom alten Dresden um 1911"
DRESDNER NEUESTE NACHRICHTEN,
29.11.2021
Zeitungsausschnitt

Von Christian Ruf

Es lohnt sich, auf Details zu achten 

Im Sonnenblumen Verlag ist der Reprint eines Stadtplans aus dem Jahr 1911 erschienen.

Als ältester existierender Stadtplan gilt eine Wandmalerei aus Çatal Hüyük in Südanatolien, die die Straßen und Häuser einer jungsteinzeitlichen Siedlung zeigt. Lange dienten Karten ja hauptsächlich dazu, die eigene Position im Umfeld zu definieren. Eine Karte Babylons aus der Zeit um 600 v. Chr. zum Beispiel gibt die Stadt lediglich schematisch wieder, zeigt sie aber zusammen mit dem irdischen Meer, das sie umgab, und mit Inseln, die Brücken zum himmlischen Ozean symbolisieren sollen. Schließlich war es aber die wichtigste Aufgabe eines Stadtplans, geografische Gegebenheiten getreulich wiederzugeben, auf dass auch keiner verl ren gehe im Gewirr der Straßen und Gassen. 

Exakt diese Funktion hatte auch der Dresdner Stadtplan von 1911 zu erfüllen, der jetzt als Reprint eines historischen, „nach vermessungsamtlichen Unterlagen bearbeiteten“ Stadtplanes des ehemaligen renommierten Verlags C.C. Meinhold & Söhne im SonnenblumenVerlag Dresden erschienen ist (11,80 Euro, ISBN: 978-3-94702810-8), samt Umschlag, separatem Straßenverzeichnis und historischem Begleittext. Der Plan ist im Maßstab 1:15000 gehalten, entfaltet man ihn zur Gänze, dann weist er eine Größe von 84 mal 69 Zentimetern auf.

C.C. Meinhold & Söhne hatte auf dieser Karte „alle Eingemeindungen von Vorstädten und Vororten von Elbflorenz, die bis 1903 erfolgt waren, berücksichtigt“, hält der Radebeuler Historiker und Verleger Michael Schmidt in seinem Begleittext zum Stadtplan u. a. fest. Der Chef des Sonnenblumen-Verlages versichert: „Diese Stadtkarte kann eine wertvolle Hilfe in der Beschäftigung mit Literatur, Zeitungen, Briefen, Reiseberichten, Tagebüchern und alten Adressbüchern als Schriftquellen sowie historischen Bildquellen wie Fotografien, Zeichnungen, Grafiken und Gemälden vom alten Dresden geben.“ 

Selbst jüngere Semester, die im Alltag fast nur noch auf digitale Medien setzen, sollten Gefallen daran finden, mit dem Finger über den Stadtplan zu streifen. Auch dieser Stadtplan bezeugt, wie schon früher ein Stadtplan ein Verzeichnis von (heute nicht selten abgehakten und vergessenen) Großtaten und Persönlichkeiten war. Linguistisch sind unsere Wohnorte, ob nun Dresden, Meißen oder das nicht ganz so hübsche Ottendorf-Okrilla, pompöse Friedhöfe, wobei die Straßenschilder als Grabsteine fungieren. Um das kollektive Gedächtnis eines Gemeinwesens auszuloten, lohnt darum ein Blick in den Faltplan.

Man achte auf die Details! Es lohnt sich! So reihen sich auf der Elbe im Innenstadtbereich auf der Neustädter Seite die Namen Badeanstalten wie Perlen an einer Schnur: „Badeanstalt v. Hottewitzsch“, „Stadtbad f. Frauen“, „Marienbäder“, „Stadtbad f. Knaben“, denen dann noch die Schwimmanstalten von Krüger und Gasse sowie das Militärbad folgen. Flussaufwärts liegt dann u. a. die Naumannsche Schwimmanstalt, deren Ursprünge im Jahr 1839 und dem Namen Amalienbäder liegen. Als eines der ersten Bäder überhaupt war dieses als Familienbad deklariert und durfte sowohl von Frauen als auch von Männern besucht werden. 1867 übernahm der aus Pieschen stammende Fischermeister Hottewitzsch die Badeanstalt und führte sie unter seinem Namen weiter. 1901 kaufte Arthur Naumann das Bad und ließ es modernisieren. Es war preiswert, dort ins kühle (Elbe-)Nass einzutauchen, aber Ende der zwanziger Jahre wurde der Betrieb eingestellt.

 

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